Nach einer stressigen Schicht fast ohne Pausen zwischen den Einsätzen war für Biggi, Ralf und Karin endlich Feierabend angesagt. Nachdem Ralf noch einige Sachen eingekauft hatte fuhr er nach Hause. Gonzo wartete schon sehnsüchtig auf ihn. Ralf begrüßte ihn, doch Gonzo gab keine Ruhe. Ralf gab sich geschlagen: „Ist ja gut, alter Junge, wir gehen noch ein Stück.“ Er nahm die Leine vom Haken und lief mit Gonzo eine Runde im Park. Ca. eine Stunde später war er wieder zuhause angekommen. Er öffnete den Briefkasten und nahm seine Post mit nach oben. Dann zog er seine Jacke aus und setzte sich auf die Couch. Beim Fernsehen sah er seine Post durch. Neben zwei Rechnungen und einem Werbebrief hatte er noch einen Brief bekommen auf dem kein Absender stand. Aber er war sich sicher, dass er diese Schrift kannte. Er öffnete den Brief und las: "Lieber Ralf! Du sitzt bestimmt jetzt auf deinem Sofa, schaust nichts ahnend deine Post durch und findest meinen Brief. Wahrscheinlich kannst du es gar nicht glauben. Ein Brief von Gabi? Das kann nicht sein. Doch Ralf. Es ist so. Ich lebe. Ich weiß, du bist jetzt schockiert. Aber ich finde, es ist langsam an der Zeit, dass du die Wahrheit erfährst. Du lebst jetzt schon 3 ½ Jahre in dem Glauben, dass ich damals nach meinem Unfall an Michaels Spritze gestorben bin. Ich weiß, es war falsch Ralf, aber du weißt, dass ich bei dem Unfall damals schwerste Verletzungen erlitten habe. Und selbst mit einer Lungentransplantation waren meine Überlebenschancen sehr gering. Ich wollte euch keine falschen Hoffnungen machen. Ich wollte eigentlich so nicht weiter leben und wenn, dann wollte ich neu anfangen, allein. Ich konnte mit der ganzen Situation überhaupt nicht umgehen. Deshalb habe ich Michael gebeten euch zu sagen, dass ich sterben würde. Wir haben vorgetäuscht, dass er mir ein in dieser Dosis tödlich wirkendes Medikament besorgt hat. In Wirklichkeit war es ein harmloses Schlafmittel. Ich wurde in eine Spezialklinik verlegt und habe eine neue Lunge bekommen. Ich dachte selbst nicht, dass ich es schaffen würde, aber ich schaffte es. Ich hatte Höllenschmerzen und hoffte so oft, dass es doch endlich vorbei sein würde. Sie haben mich mehrmals operiert. Nach furchtbaren Monaten auf der Intensivstation kam ich dann auf die normale Station, auf der ich wieder Monate verbringen musste und anschließend war ich noch in der Reha. Das alles war die schlimmste Zeit in meinem Leben, niemandem wünsche ich solche Schmerzen. Ich habe mir oft gewünscht, dass du da wärst. Aber andererseits wollte ich das auch alles nicht. Ich wollte, dass du irgendwann wieder glücklich wirst, vielleicht eine andere Frau kennenlernst und nicht nur aus Mitleid bei mir bleibst. Als ich dann aus der Reha entlassen wurde, wollte ich erstmal Abstand gewinnen. Ich konnte ja schlecht einfach so zurückkommen, sagen „hallo hier bin ich wieder. Ich habe es doch geschafft.“, und so tun, als wäre nichts gewesen. Denn für mich ist nichts mehr wie früher. Ich werde wahrscheinlich nie wieder arbeiten können. Und ich habe auch noch einige Operationen vor mir. Sie wollen noch so viel wie möglich durch Korrekturoperationen machen, aber viel wird das wohl auch nicht bringen. Aber mach dir keine Sorgen. Ich bin inzwischen soweit, dass ich ziemlich gut alleine zurechtkomme. Ich habe mir ein Haus in den Bergen gekauft. So jetzt weißt du die ganze Wahrheit. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen. Es tut mir wirklich leid Ralf, aber ich konnte nicht anders. Ganz liebe Grüße, Gabriele"
Ralf ließ den Brief sinken und starrte benommen zum Fernseher. Seine Gedanken ueberschlugen sich, wie konnte das sein? Gabriele sollte am Leben sein? Wieso hatte MIchael ihm nie die Wahrheit gesagt und wieso hatte Gabriele es auf einmal getan? Nach all der Zeit, was hatte ihren ploetzlichen Sinneswandel ausgeloest, war es wirklich nur "an der Zeit gewesen" wie sie geschrieben hatte oder steckte etwas anderes dahinter. Er spuerte wie sein Magen sich etwas verkrampfte und sein Herz schneller schlug: Gabriele lebte! Er schluckte und schnappte sich den Umschlag doch er hatte richtig geschaut, es war kein Absender auf dem Umschlag. Was sollte das? Wieso schrieb Gabriele ihm diesen Brief ohne ihre Adresse oder sonstige Kontaktmoeglichkeiten hinzuzufuegen. Kurzentschlossen stand er auf und schnappte sich seine Jacke, er musste Michael zur Rede stellen. Als er in die Basis kam sass die A-Crew gerade beim Kuchen, "was willst du denn hier?" fragte Thomas und Peter witzelte, "bekommst wohl nie genug vom Arbeiten." Ralf ignorierte die beiden und legte seine Hand auf Michaels Schulter, "ich muss mit dir reden - alleine." Ihre Blicke trafen sich und Michael nickte und stand auf. Kaum hatten sie die Basis verlassen sagte Ralf, "Gabriele lebt und du hast es die ganze Zeit gewusst!" Michael schluckte und sagte, "Ralf du warst doch selbst dabei als..." "als du ihr das Schlafmittel gegeben hast? MIchael hoer auf mich zu verarschen, Gabriele hat mir geschrieben." Er zeigte ihm den Briefumschlag, Michael wollte ihn nehmen doch Ralf wollte nicht das er ihn las und behielt ihn in der Hand. "Sie lebt und du hast es die ganze Zeit gewusst." "Bist du dir sicher dass sie den Brief geschrieben hat?" fragte Michael, "natuerlich, ich habe ihre Schrift sofort erkannt und der Inhalt ist auch eindeutig. Du musst mir sagen wo sie ist, Michael." "Ralf ich weiss nicht wo sie ist, ich habe sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen." "Und das soll ich dir glauben?" fragte Ralf, Michael nickte, "ist dir jemals der Gedanke gekommen dass sie nicht von dir gefunden werden will?"
Dieser Satz war für Ralf wie ein Schlag in die Magengrube. Es klang so schrecklich. Er freute sich unendlich, dass Gabriele doch noch lebte. Aber vielleicht hatte Michael recht. Vielleicht würde er sie trotzdem nie wieder sehen. Er versuchte den Gedanken zu verdrängen. „ Was meinst du sind die Gründe dafür dass sie mir plötzlich schreibt? Warum sollte sie mir schreiben, wenn ich sie trotzdem nie finden darf?“ Michael blickte zu Boden. Er schien fieberhaft nach einer guten Antwort zu suchen. Er sah Ralf an und meinte: „Ich weiß es auch nicht Ralf, aber ich kann mir vorstellen, dass sie sich auch die ganzen Jahre Gedanken darüber gemacht hat, was aus dir geworden ist. Ich schätze auch sie hatte bei der ganzen Sache ein schlechtes Gewissen.“ „Du ja anscheinend nicht!“ schrie Ralf aufgebracht. „Wie konntest du das die ganze Zeit für dich behalten? Weißt du eigentlich wie sehr ich darunter gelitten habe, dass ich die ganze Zeit geglaubt habe Gabriele wäre tot? Aber nein. Darum machst du dir ja anscheinend überhaupt keine Gedanken! Michael das ist echt das letzte!“ Ralf fand, dass das ganze Gespräch hier mit Michael ihn auch nicht weiter bringen würde. Er ließ ihn einfach stehen, stieg in sein Auto und brauste wütend davon. Er fuhr eine zeitlang ziellos umher, blieb auf einem Parkplatz stehen und las nochmals den Brief. Er war verzweifelt. Wie sollte er nur Kontakt mit ihr aufnehmen? Währenddessen kam Michael nachdenklich wieder in die Basis zurück. Thomas sah ihn fragend an: "Was ist denn jetzt los?"
Michael winkte ab, "ging um etwas privates." Thomas' und Peters Blicke trafen sich und als Michael das bemerkte setzte er hinzu, "es ging um Gabriele." Die beiden nickten nur und dachten dass sie wuessten was los war doch in Wirklichkeit hatten sie keine Ahnung, dachte Michael und setzte sich wieder ueber seine Berichte.
Gabriele hatte sich also ein Haus in den Bergen gekauft, das war doch schon mal ein guter Anfang. Vorausgesetzt sie hatte ihren alten Namen beibehalten. Er fragte sich ob sie bei den Behoerden als Tod galt oder nicht, schliesslich hatte es eine Beerdigung und alles gegeben. Ob ihre Mutter wohl wusste dass sie noch lebte? Er hatte Angela nach der Beerdigung nur noch einmal in Traunstein gesehen, sie hatte schrecklich ausgesehen und da er mit Jenny unterwegs gewesen war hatte er sie nicht angesprochen. Er fragte sich wie es ihr jetzt ging und ob sie ueberhaupt noch am Leben war. Bestimmt hatte Gabriele auch ein schlechtes Gewissen ihretwegen und wuerde sie auch kontaktieren aber er wollte das Risiko nicht eingehen und zu Angela fahren. Was wenn diese nichts von dem Ganzen wusste. Er spuerte sein Handy vibrieren und kramte es aus seiner Tasche, innerlich hoffte er das es Gabriele sein wuerde aber natuerlich war dem nicht so. "Jenny" stand auf dem Display und Ralf drueckte den Anruf weg. Was sollte er Jenny erzaehlen und sollte er ihr gegenueber ueberhaupt irgendetwas erwaehnen?
Er beschloss es erstmal zu lassen. Er wollte erstmal sehen, ob es ihm überhaupt möglich sein würde, Gabriele zu finden und wenn ja, wie sie auf ihn reagieren würde. Bei dem Gedanken daran wurde er richtig nervös. Er hatte so Angst davor, dass sie ihn echt nicht wieder sehen wollte. Er überlegte hin und her, wie er Gabrieles Aufenthaltsort herausbekommen könnte. Der einzige Anhaltspunkt, den er bislang hatte, war eben das Haus in den Bergen. Die erste Möglichkeit, die ihm einfiel, war das Einwohnermeldeamt. Er machte sich auf den Weg nach Hause. Als er die Wohnungstür aufschloss und die Wohnung betrat, roch er gleich, dass Jenny am kochen war. Innerlich ärgerte Ralf sich ein wenig darüber, dass sie schon so früh zuhause war. So konnte er nicht ungestört telefonieren. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und ging in die Küche, wo Jenny schon auf ihn wartete. „Hey, Schatz. Schau mal, ich habe für uns gekocht.“ „Hey, Süße. Mmhh, das sieht ja lecker aus.“ Er umarmte sie und gab ihr einen Kuss. Dann fragte Jenny: „Warum bist du denn vorhin gar nicht an dein Handy gegangen?“ Ralf überlegte kurz nach einer Ausrede. „Ähm, ich konnte nicht ran gehen. Ich hatte gerade eine Dienstplanbesprechung auf der Basis.“ „Achso.“ meinte Jenny lächelnd und küsste ihn erneut. Die beiden aßen und Jenny schlug vor, dass sie sich es danach so richtig gemütlich machen wollten. Sie wollte nur eben schnell duschen. Ralf saß am Tisch und musste an Gabriele denken. Er dachte an früher und wie sie jetzt wohl leben würde. Plötzlich fiel ihm ein, dass er ja noch telefonieren wollte. Und jetzt war die Gelegenheit. Er suchte die Telefonnummer des Einwohnermeldeamtes heraus, zögerte kurz und wählte dann.
Es dauerte ewigkeiten bis man ihn richtig verbunden hatte und er betete das Jenny sich Zeit beim Duschen lassen wuerde. Schliesslich hatte er endlich jemandem am Apparat der ihm weiterhelfen konnte. "Und der Name ist Gabriele Kollmann?" hackte er noch einmal nach und Ralf bestaetigte das, "mit 'll' und 'nn'?" "Ja, wie ich es buchstabiert habe." sagte Ralf, er verlor langsam seine Gedult. "Da ist nichts drunter gespeichert, wissen sie zufaellig die Stadt oder zumindest den Landkreis?" "Nein ich habe keine Ahnung." "Da kann ich ihnen dann auch nicht weiter helfen, vielleicht ist sie unter dem Namen ihres Mannes gemeldet? Wissen sie ob sie verheiratet ist?" "Ist sie nicht." tat Ralf die Moeglichkeit ab, "versuchen sie mal St. Johann im Pongau." schlug Ralf vor, vielleicht war Gabriele ja nicht ganz weggezogen und lebte noch in der Gegend. Doch auch das brachte nicht das gewuenschte Ergebnis. Er hoerte wie Jenny das Wasser abstellte begann nervoes zu tribbeln, "und Angela Kollmann?" fragte er, vielleicht hatte sie ihrer Tochter das Haus gekauft und es lief unter ihrem Namen. Doch das einzige ergebnis zu dem Namen war Gabrieles Elternhaus. "Ich fuerchte ich kann ihnen da nicht weiterhelfen." "Ja...trotzdem danke." sagte Ralf und legte auf. Das hatte ja ueberhaupt nichts gebracht, dachte er sich und bemerkte dass er die ganze Zeit Gabrieles Namen auf das Stueck Papier gekritzelt hatte das er sich vorhin zurechtgelegt hatte um ihre Adresse aufzuschreiben. Na ja zumindest wusste er jetzt das Angela Kollmann noch lebte und noch immer dort lebte. Er fragte sich auf wesen Namen das Haus eingeschrieben war wenn nicht auf Gabrieles und wieso sie es ihm so schwer machte sie zu finden.
Der Gedanke der ihm am meisten durch den Kopf ging, war, dass sie ihn wirklich nicht sehen wollte und deshalb verhindern wollte, dass sie ihn fand. Aber er wollte sie unbedingt sehen und beschloss alles dafür zu geben, sie zu finden. Irgendwie musste es doch möglich sein. Als er jetzt hörte, wie Jenny die Badezimmertür öffnete, wurde Ralf aus seinen Gedanken gerissen. Er zuckte zusammen und ließ schnell das Stück Papier verschwinden, auf das er Gabrieles Namen geschrieben hatte. Er hatte jetzt keine Lust mit Jenny darüber zu reden. Jenny kam zu ihm und sie gingen ins Wohnzimmer und schauten eine DVD. Dabei versuchte Jenny immer wieder, Zärtlichkeiten mit Ralf auszutauschen, aber so sehr sich Ralf auch versuchte, sich auf Jenny zu konzentrieren, es gelang ihm nicht. Immer wieder musste er an Gabriele denken. Er stellte sich vor, wie sie da jetzt wohl so allein in ihrem Haus in den Bergen leben würde. Natürlich dauerte es nicht lange, bis auch Jenny auffiel, wie abwesend Ralf mit seinen Gedanken war. „Ralf, was ist denn los mit dir? Du bist so komisch heute.“ „Es ist nichts. Ich bin müde und habe etwas Kopfschmerzen, aber ist schon ok.“ Jenny grinste. „Na, dann werde ich dich mal auf andere Gedanken bringen.“ Sie fing an ihn zärtlich zu küssen, später schliefen sie miteinander. Am nächsten Morgen hatte Ralf Frühschicht. Auch hier konnte er sich kaum konzentrieren. Er saß im Hangar und war am überlegen, ob er Biggi etwas von dem Brief erzählen sollte. Dabei laß er ihn nochmals. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Vielleicht konnte man ja aus dem Poststempel irgendwas ableiten?
Er bedrachtete den Umschlag, leider war der Stempel nicht sehr deutlich doch einige Ziffern konnte er doch erkennen. Er musste grinsen, bestimmt konnten sie ihm auf der Post damit weiterhelfen. "Ach hier bist du, ich habe dich schon ueberall gesucht." hoerte er Karin auf einmal hinter sich sagen und er versteckte schnell den Brief, "was war das denn?" fragte Karin, "nur ne Rechnung." log Ralf und setzte hinzu, "was gibt es?" "Wir muessen die Taschen noch auffuellen und ich dachte dass jetzt ein guter Zeitpunkt dafuer waere." Ralf stimmte zu und ging mit ihr zurueck in den Aufenthaltsraum. Obwohl die Schicht ruhig angefangen hatte artete sie noch zu einer sehr stressigen aus, vorallem der letzte Einsatz, ein Autounfall, hatte ihnen viele Nerven gekostet. Normalerweise haette er jetzt erst einmal eine lange Dusche genommen und waere dann gleich nach Hause gefahren doch heute zog er sich nur schnell um und verliess die Basis. Er musste es noch vor Ladenschluss zur Post schaffen und das konnte mittlerweile schon etwas knapp werden. Er hatte glueck und fand sogleich einen Parkplatz. Natuerlich musste er noch etwa zehn Minuten warten ehe er endlich dran war. "Wie kann ich ihnen helfen?" fragte der Postbeamte eher desinteresiert. "Ich moechte wissen von wo dieser Brief abgesendet wurde." erklaerte Ralf und legte ihm den Brief vor.
Der Postbeamte betrachtete den Stempel genau und überlegte. Er gab die Nummern, die er entziffern konnte in den Computer ein. Einen Augenblick später sah er wieder zu Ralf und sagte: „Also. Ich habe hier zwei Orte für die diese Ziffernkombination, die noch lesbar ist infrage kommt.“ Er zeigte Ralf die beiden Orte auf dem Computer und Ralf notierte sie sich auf einem Zettel. Er war erleichtert. Jetzt war er schon einen ganzen Schritt weiter. Er bedankte sich, steckte den Brief wieder ein und verließ das Postgebäude. Er lief zurück zu seinem Auto und überlegte, wie er jetzt weiter vorgehen sollte. Er beschloss es noch mal beim Einwohnermeldeamt zu versuchen. Jetzt hatte er ja etwas genauere Angaben. Gleich als er zuhause war versuchte er es. Doch der Anruf verlief enttäuschend. Die Frau vom Amt konnte auch unter den angegebenen Orten keinen Eintrag unter dem Namen Gabriele Kollmann finden. Ralf war langsam echt ratlos. Es konnte ja nur zwei Möglichkeiten geben, dass er sie auch jetzt nicht fand. Entweder hatte sie wirklich ihren Namen geändert oder aber sie hatte den Brief gar nicht von ihrem Wohnort aus abgesendet, vielleicht auch aus dem Grunde, damit er sie nicht finden konnte. Ralf überkam ein Gefühl der Verzweiflung. Jetzt wusste er zwar, dass Gabriele lebt, aber er konnte sie nirgendwo finden. Er fragte sich noch immer, ob Michael wirklich nicht wusste, wo sie war oder ob er auch in dieser Sache wieder lügen würde.
Vielleicht sollte er Michael noch einmal zur Rede stellen und ihn genau danach fragten was damals passiert war und wer von der ganzen Sache gewusst hatte. Schliesslich hatte Michael das ganze bestimmt nicht alleine eingefaedelt und Gabriele war nicht in der Verfassung gewesen es zu tun. Allerdings hatte die A-Crew jetzt Schicht und er wollte nicht schon wieder auf der Basis auftauchen. Stattdessen entschloss er sich nach Hause zu fahren. Jenny war noch bei der Arbeit, auf dem Kuechentisch lag ein Zettel auf dem sie ihn bat das Abendessen vorzubereiten und das sie gegen Acht da sein wuerde. Das gab ihm noch etwas Zeit um sich mit Gabriele zu befassen. Er hatte damals alle Erinnerungsstuecke an Gabriele in einen Karton getan und auf dem Speicher verstaut, vielleicht gab es ja etwas in dem Karton das ihm einen Hinweiss geben wuerde. Das meiste Gegenstaende darinnen waren alte Klamotten und Fotos von ihnen, Ralf musste schmunzeln als er eines der Bilder betrachtete, jahrelang hatte er einen grossen Bogen um den Karton gemacht weil damit zu viel Schmerz verbunden war und auf einmal hatte sich alles geaendert.
Er fand auch die ganzen Zettel wieder, die Gabriele manchmal morgens, wenn sie früher wach war als Ralf an den Spiegel im Badezimmer oder sonst irgendwo in der Wohnung geklebt hatte. Fast auf jedem sagte sie Ralf, wie sehr sie ihn liebte. Ralf fragte sich, wie Gabriele wohl die ganze Zeit über die Sache dachte. Ob sie ihn wohl manchmal vermissen würde? Ralf erinnerte sich noch genau an die ganze Situation damals in der Klinik. Er war damals völlig fertig und machte sich riesige Vorwürfe und Gabriele ging es so schlecht. Aber sie hatte ihm damals noch zugeflüstert „Ich liebe dich.“ Kurz bevor Ralf bis jetzt immer angenommen hatte, dass sie starb. Ralf schüttelte den Kopf. Er konnte es immer noch nicht fassen, wie Michael, Gabriele und wer auch sonst noch an der Idee beteiligt war, das fertig bringen konnte, jahrelang mit so einer Lüge zu leben. Ralf legte die Zettel zurück in den Karton und las ein paar der Postkarten, die Gabriele ihm aus Urlauben geschickt hatte. Als er gerade eine aus einem Urlaubsort in den Bergen, wo Gabriele im Skiurlaub war, betrachtete, kam ihm plötzlich die Idee, dass es ja auch sein könnte, dass Gabriele irgendwo dort das Haus haben könnte. Ein kurzer Blick auf seine Armbanduhr ließ Ralf erschrecken. Es wurde höchste Zeit mit dem Abendessen anzufangen. Er packte die Sachen grob zusammen und beschloss später noch mal zu gucken. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig mit dem Essen fertig zu werden, als Jenny die Wohnung betrat.
"Hey Schatz, wie war dein Tag?" fragte Jenny als sie die Kueche betrat, die beiden kuessten sich fluechtig und Ralf antwortete, "ganz gut und deiner?" Jenny zuckte mit den Schultern, "ich kann kaum das Wochenenende abwarten." Die beiden brachten das Essen gemeinsam auf den Tisch im Wohnzimmer und begannen zu essen, "mhh, das ist dir gut gelungen." lobte Jenny ihn und setzte dann hinzu, "weisst du wovon ich heute bei der Arbeit getraeumt habe?" Ralf schuettelte mit dem Kopf, "wir sollten uns mal ein Wochenende frei nehmen und einfach wegfahren fuer ein paar Tage...den ganzen Stress hier hiner uns lassen und einfach mal ausspannen." "Die Idee ist nicht schlecht." gab Ralf zu, "aber in naechster Zeit wird das sicher nichts, du weisst doch wie umstaendlich es immer ist meinen Urlaub zu beantragen." "Es muss ja nich sofort sein." sagte Jenny und setzte dann hinzu, "warst du schon mit Gonzo draussen?" Ralf schuettelte mit dem Kopf, "nein, ich war noch in der Stadt." "Gut, ich glaube ich geh noch eine Runde mit ihm Joggen, kommst du mit?" Ralf dachte einen Moment drueber nach und schuettelte dann mit dem Kopf, "ich bin heute schon genuegend gerannt bei den Einsaetzen."
„Ok. Dann geh ich eben alleine.“ Ralf nickte. „Bist nicht sauer, oder?“ fragte er. „Ach, Quatsch. Wie könnte ich dir böse sein?“ antwortete Jenny grinsend. Sie küssten sich und dann räumten die beiden zusammen den Tisch ab. „Ok, ich gehe mich dann umziehen.“ meinte Jenny und verschwand im Schlafzimmer. Ralf war schon wieder in seinen Gedanken versunken. Er fragte sich gerade, wie Gabriele wohl reagieren würde, wenn er sie finden würde und plötzlich vor ihrer Tür stehen würde. Er konnte den Moment eigentlich kaum noch abwarten, bis er sie endlich wieder sehen würde. Jenny kam in ihren Sportklamotten in die Küche, nahm Gonzo an die Leine und gab Ralf einen Kuss. „Bis gleich Schatz.“ sagte sie und verließ die Wohnung. Ralf nutzte die Gelegenheit und ging noch mal auf den Speicher um die Sachen durchzusehen. Er schrieb sich einen Ortsnamen auf und beschloss sich morgen mal zu erkundigen. Am nächsten Tag fuhr Ralf ziemlich rechtzeitig zur Basis. Er hatte sich vorgenommen, heute nochmal in Erfahrung zu bringen, wie das alles damals in der Klinik abgelaufen war. Er hatte irgendwie ein komisches Gefühl von Aufregung im Magen, als er wenig später sein Auto auf dem Parkplatz abstellte. Er hatte in der Nacht noch lange wach gelegen und überlegt, wie er am besten vorgehen sollte. Er atmete noch einmal tief durch und betrat die Basis. Peter und Michael saßen im Aufenthaltsraum. „Hallo.“ begrüßte sie Ralf. „Hey, du bist aber früh dran.“ meinte Peter. Ralf nickte. „Ich weiß. Michael, ich muss noch mal mit dir reden.“ Michael dachte sich bereits, um was es ging und ging mit Ralf raus. Peter sah ihnen fragend hinterher. Draußen blieb Ralf plötzlich stehen, sah Michael an und sagte: „Ich möchte jetzt mal ganz genau wissen, was damals passiert ist. Und diesmal möchte ich endlich die Wahrheit erfahren.“
"Ralf das ganze ist ueber drei Jahre her, was bringt dass denn noch?" fragte Michael, "Michael sag mir einfach was du weisst und lass alles andere meine Sorge sein." "Das geht nicht, Gabriele wollte nicht dass wir jemals darueber reden." "Also waren doch mehr beteiligt, wer noch Michael?" Die beiden begannen nebeneinander her zu gehen, "ausserdem hat sie ihre Meinung geaendert, sonst haette sie mir doch nicht den Brief geschrieben." setzte Ralf hinzu. "Sie hat ein schlechtes Gewissen aber das heisst noch lange nicht dass sie moechte dass du sie findest... Ralf ihr habt beide ein neues Leben angefangen." "Weisst du wo sie ist?" fragte Ralf ihn durchdringlich, "nein." antwortete Michael, "und das soll ich dir glauben?" fragte Ralf, "ich habe sie zuletzt vor etwa einem Jahr gesehen aber seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehoert." Ralf konnte nicht glauben dass Michael sich mit Gabriele getroffen hatte und ihm trotzdem noch in die Augen hatte schauen koennen. "Wie ging es ihr?" fragte Ralf, Michael zuckte mit den Schultern, "Ralf sie hat viel durch gemacht. Sie wollte neu anfangen und hoeren wie es dir und den anderen ging."
„Michael, ich glaube das alles einfach nicht. Du hast dich wirklich mit Gabriele getroffen und hast ihr erzählt wie sehr ich um sie getrauert habe und wie sehr ich unter ihrem Tod leide und so? Und mit so einer Lüge konntest du die ganze Zeit leben? Michael das hätte ich nie im Leben von dir gedacht. Weißt du eigentlich, wie sehr ich dir immer vertraut habe? So sehr, dass ich dir irgendwann geglaubt habe, dass das mit der Spritze wirklich nur eine Erlösung für Gabriele war, weil sie die Transplantation angeblich verweigert hatte. Nur aus diesem Grunde hatte ich dir das bis heute verziehen. Und du? Du lügst mir eiskalt ins Gesicht!“ „Ralf, glaub mir, ich hatte auch jedes mal wenn ich mit dir gesprochen habe ein unendlich schlechtes Gewissen. Aber Gabriele war der Meinung, dass sei für alle das beste. Sie wollte nicht, dass du mit ihr leidest.“ „Das beste?“ fragte Ralf wütend. „Ihr wart wirklich der Meinung, es wäre das beste wenn ich denke, sie sei tot? Hallo?“ „Ralf, nun beruhig dich doch mal. Gabriele wollte nicht, dass du dir Vorwürfe machst.“ Ralf unterbrach ihn „Das habt ihr damit aber nicht erreicht! Ewig habe ich mir Vorwürfe gemacht. Mich tausende male gefragt, was wäre gewesen wenn?“ Michael nickte. „Ich weiß, Ralf. Ich habe Gabriele erzählt, wie sehr du unter der ganzen Geschichte gelitten hast. Sie war natürlich auch sehr traurig aber sie hat immer gehofft, dass du irgendwann darüber hinweg kommst und jetzt habt ihr beide ein neues Leben. Du hast deine Jenny, ihr lebt zusammen. Ralf, ich bin der Meinung, es wäre das beste, wenn du die Vergangenheit ruhen lässt.“